Wie wirksam ist die Phobietherapie mit NLP?

H.-W. Reckert

"Die NLP-Phobiebehandlungstechniken in der Behandlung spezifischer und sozialer Phobien- eine Therapievergleichsstudie mit der systematischen Desensibilisierung in sensu" ist der Titel meiner Dissertation, die ich 1998 unter der Betreuung von Prof. Dr. Dirk Revenstorf an der Universität Tübingen im Fachbereich Psychologie abschloß.

Die Phobiebehandlungstechniken "Heilung des jüngeren Selbst" und die "Rückwärts-Technik" sind Interventionsmethoden, die als wirksame Kurzzeittherapiemethoden gelten. Da im NLP empirische Wirksamkeitsstudien fehlen, möchte ich mit dieser Studie einen Beitrag zur wissenschaflichen Anerkennung des NLP leisten.

Methoden:

Die Phobiebehandlungstechnik "Heilung des jüngeren Selbst" wurde als Dissoziationstechnik im Rahmen eines imaginierten Kinos eingesetzt. Mit Hilfe von Erinnerungsankern für das phobische Gefühl wurden konkrete Situationen, die mit der Phobie in Zusammenhang stehen, erinnert und doppelt dissoziiert vom Affekt angeschaut. Das jüngere Selbst, das diese Situation erleben mußte, wird durch ein Heilungsritual versöhnt.

In der "Rückwärts-Technik" wird eine Situation, die mit dem phobischen Gefühl in Zusammenhang steht, auf der imaginären Kino-Leinwand mehrmals schnell rückwärt angeschaut. Dabei wird auch die Tonspule rückwärts angehört.

In der systematischen Desensibilisierung in sensu wird der Klient in der Vorstellung mit der angstauslösenden Situation konfrontiert. Die Konfrontation erfolgt graduell in Form einer Angsthierarchie. Ruhevorstellungen und Selbstinstruktionen helfen dem Patienten, die Konfrontation auszuhalten.

Bei den schweren Phobien wurden in der dritten Sitzung kinästhetisches Anker-Kollabieren (Reckert, 1993) durchgeführt und in der vierten Sitzung die Veränderung von Glaubenssätzen mit Hilfe der Switch-Technik.

Untersuchungsbedingungen mit Anzahl N der Klienten

Leichte Phobien

Schwere Phobien

Gr.1 Jüng. Selbst Gr.2 Rückwärts Gr.3 Desensibil. Gr.4 Jüng. Selbst Gr.5 Rückwärts Gr.6 Desensibil.
N=3 N=6 N=3 N=15 N=10 N=13

 

Störungsbilder:

In die Studie wurden Klienten mit spezifischen und sozialen Phobien aufgenommen. Die Differentialdiagnostik erfolgte mit dem DIPS (Diagnostisches Inerview für psychiatrische Störungen).

Diagnostik:

Die Diagnostik der Angststärke erfolgte mit den Fragebögen BAI (Beck Anxiety Inventory), dem STAI-state von Spielberger und dem Angstthermometer von Wolpe. Die Herzrate wurde in der ersten und letzten Sitzung während der Imagination der phobischen Situation eingesetzt. Die Herzrate wurde in den vier NLP-Bedingungen vor der Dissoziation/nach der Dissoziation und vor sowie nach der jeweiligen Intervention erhoben.

 

Sitzungsabfolge für die Gruppen:

Leichte Phobie

Schwere Phobie

Gr.1 NLP

Gr.2 NLP

Gr.3 VT

Gr.4 NLP

Gr.5 NLP

Gr.6 VT

Diagnostik

Diagnostik

Diagn. /30er

Diagnostik

Diagnostik

Diagnostik

Jüng.Selbst

Rückwärtst.

60er Situation

Jüng.Selbst

Rückwärtst.

30er Situat.

   

100er Situat.

Ankertechnik

Ankertechnik

60er Situat.

   

100er Situat.

Glaubenssatz.

Glaubenssatz

100er Situat.

         

100er Situat.

         

100er Situat.

nach 1 Monat

nach 1 Monat

nach 1 Monat

nach 1 Monat

nach 1 Monat

nach 1 Monat

nach 3 Monaten

nach 3 Monaten

nach 3 Monaten

nach 3 Monaten

nach 3 Monaten

nach 3 Monaten

nach 6 Monaten

nach 6 Monaten

nach 6 Monaten

nach 6 Monaten

nach 6 Monaten

nach 6 Monaten

Stichprobe:

50 Klienten im Geschlechtsverhältnis 36 Männer zu 14 Frauen im Durschnittsalter von 39,7 Jahren wurden per Zufall auf die sechs Behandlungsgruppen verteilt. 40 Klienten litten unter spezifischen und 10 Klienten unter sozialen Phobien.

 

In der Gruppe der leichten Phobien wurden folgende Ergebnisse errechnet:

Die NLP-Phobiebehandlungstechniken Jüngeres Selbst und die Rückwärts-Technik zeigen in der Klassifikation der leichten Phobien überwiegend keine signifikanten Effekte. Im Vergleich mit der VT-Bedingung liegen überwiegend keine signifikanten Effekte vor. Der Vergleich der beiden NLP-Bedingungen zeigt keinen Unterschied.

In der Gruppe der schweren Phobien wurde errechnet:

In der Gruppe der schweren Phobien zeigen die Phobiebehandlungstechniken "Jüngeres Selbst" und die "Rückwärts"-Technik für sich zwischen der ersten (der Diagnostik-Sitzung) und zweiten Sitzung (der Phobiebehandlungstechnik "Jüngeres Selbst" oder der "Rückwärts-Technik") einen signifikanten Effekt. Die Veränderung der phobischen Glaubenssätze zeigte zwischen der dritten und vierten Sitzung einen signifikanten Effekt. In der Kombination mit der Veränderung der Überzeugungen und dem Anker-Verschmelzen zeigen beide einen signifikanten Effekt bei einer Katamnese von 6 Monaten in allen drei abhängigen Variablen. Der Effekt war für die spezifischen und die sozialen Phobien nachweisbar.

Der Vergleich der NLP-Bedingungen "Jüngeres Selbst" und der "Rückwärts"-Technik kombiniert jeweils mit dem Anker-Verschmelzen und der Veränderung der Überzeugungen zeigt überwiegend keine Unterschiede, der Vergleich der NLP-Bedingungen mit der VT-Bedingung widersprüchliche Ergebnisse (ein signifikanter Effekt mehr zugunsten der VT-Bedingung.). Die Herzraten waren nur signifikant im Vergleich der Imagination der phobischen Situation vor der ersten und nach der letzten Sitzung.

 

Ergebnisse aus dem Vergleich der Gruppen untereinander:

Zentral bei der Fragestellung war der Vergleich der NLP-Bedingungen mit der VT-Bedingung. Der Vergleich zwischen der Kontrollbedingung 3 und den beiden NLP-Bedingungen zeigt wie oben erwähnt widersprüchliche Ergebnisse.

Im Vergleich mit der Bedingung 1 (Jüngeres Selbst) liegt bei STAIF3 ein signifikanter Effekt zugunsten der NLP-Bedingung vor. Zwischen den Bedingungen 2 (Rückwärts-Technik) und 3 (VT-Bedingung) liegt bei Thermo F3 und bei BAIF3 ein signifikanter Effekt zugunsten der VT-Bedingung vor.

Beim Vergleich der NLP-Bedingungen entsteht folgendes Bild:

Zwischen den Bedingungen 1 (Jüngeres Selbst) und der Bedingung 2 (Rückwärts-Technik) liegt überwiegend kein signifikanter Effekt vor, nur in BAIF3 zugunsten von Bedingung 1.

 

Im Vergleich der VT-Bedingung mit den Bedingungen 4 und 5 liegt nur zum Meßzeitpunkt BAIF3 im Vergleich mit Bedingung 4 (Jüngeres Selbst) ein signifikanter Effekt zu gunsten der VT-Bedingung vor, die restlichen Signifikanztests zeigen keinen Unterschied.

Der Vergleich zwischen der Phobiebehandlungstechnik Jüngeres Selbst und der Rückwärts-Technik zeigt in BAI, STAI, Thermo keinen signifikanten Unterschied

Diskussion und Ausblick:

Von Bedeutung kann die Studie durch den Nachweis der Wirksamkeit der NLP-Phobiebehandlungstechniken mit einer Katamnese von sechs Monaten in der Behandlung von spezifischen Phobien sein, denn die NLP-Bedingungen war für die Klienten durch die Dissoziation von den phobischen Gefühlen weniger aversiv. Im Vergleich mit der systematischen Desensibilisierung erreichte das NLP in kürzerer Zeit vergleichbare Effekte. Dieser Effekt in kürzerer Zeit ist in Zeiten der Kostenreduktion im Gesundheitswesen bedeutsam. Bedeutsam auch die Erkenntnis, daß die NLP-Phobiebehandlungstechniken im Vergleich mit der VT-Bedingung keine "magischen" Interventionen darstellen, da überwiegend keine Unterschiede zwischen den NLP-Bedingungen und der VT-Bedingung nachgewiesen werden konnte.

Im Ausblick ist es sinnvoll, die Studie mit der gleichen Anzahl von Sitzungen zwischen der VT-Bedingung und der NLP-Bedingung zu wiederholen. Dann vielleicht nur mit starken Phobien. Interessant auch die Frage nach der differentiellen Indikation, bei welchem Persönlichkeitstyp welche Therapie indiziert ist.

Literatur:

Die NLP-Phobiebehandlungstechniken in der Behandlung spezifischer und sozialer Phobien- eine Therapievergleichsstudie mit der systematischen Desensibilisierung in sensu

Deutscher Hochschulverlag 1999

H.-W. Reckert, NLP-Anker-Kollabieren als Kurzzeittherapie in der Behandlung von Studierenden mit Prüfungsangst- eine Therapievergleichsstudie mit mit dem mentalen Training, Verlag Hänsel-Hohenhausen

Persönliches:

Dr. Horst- W. Reckert, Jahrgang 1964, gelernter Bankkaufmann, Diplom-Psychologe, NLP-Trainer (GTC Robert Dilts), arbeitet als Trainer und Coach für die Unternehmensberatung (BDU) Loquenz und privat therapeutisch. Für Rückfragen stehe ich Ihnen unter 07071-92030 oder unter hreckert@loquenz.de zur Verfügung.


[ MILTON ERICKSON INSTITUT BERLIN ]